24. Februar – 13. April, 2024
Eröffnung: Freitag, 23. Februar, 18–21 Uhr
Guiding Fabric ist der Titel der neuen Ausstellung von Luca Frei. Im Vorfeld haben wir mit ihm ein Gespräch über die Ausstellung und seine Arbeit geführt.
In deiner vierten Ausstellung in der Galerie Barbara Wien zeigst du zehn textile Arbeiten. Der Ausstellungstitel Guiding Fabric bezieht sich auch auf deren Herstellung – wie kann man sich diesen Prozess vorstellen? Was fasziniert dich am Nähen?
Frei: Ich beginne mit der Herstellung meiner Werke, indem ich einen einfachen, ungebleichten Baumwollstoff mit der Nähmaschine bearbeite. Später appliziere ich diese maschinengenähten Elemente von Hand auf bemalte Leinwände. Die Darstellungen lassen an Landschaften, lebende Systeme und hybride architektonische Motive denken. Jedes Werk hat einen besonderen Charakter, beeinflusst durch die feinen Variationen der Nähte und der aus den Hintergründen gewonnenen chromatischen Tiefe der Farben. Der Herstellungsprozess erfordert sorgfältige Planung, Intuition und ein Verständnis für technische Synergien – von der Auswahl des Stoffes und der Einstellung der Fadenspannung bis hin zum Zuschneiden, Falten, Bügeln, maschinellen Nähen, Handnähen, Knüpfen und Bügeln. Für mich liegt der Reiz des Nähens und der Arbeit mit Textilien in diesem akribischen Prozess, bei dem jedes Detail zum Ergebnis beiträgt.
Wie hast du die Motive für die Bilder entwickelt? Welche Assoziationen sind für dich wichtig?
Frei: Die Textilarbeiten sind auf der Basis von Vorzeichnungen entstanden, die in zahlreichen Wiederholungen von mir verfeinert wurden, um die richtige Spannung zu erreichen. Ich suche nach Bildern, die vertraut und doch fremd, erkennbar und doch nicht leicht zuzuordnen sind – sie sind eine Anspielung auf eine Idee von einem Ort, ohne notwendigerweise bestimmte Orte darzustellen. Jedes Werk steht für sich, kann aber auch als Teil einer Geschichte oder einer Partitur mit wiederkehrenden Elementen wie Uferlinien, Kreisen oder Polygonen gesehen werden. Die Motive, die eine Kontinuität suggerieren, sind inspiriert von Erinnerungen und Beobachtungen alltäglicher Situationen, kombiniert mit grafischen, beinahe schematischen Darstellungen von Landschaft und Architektur. Einige Arbeiten zeichnen sich durch einen Perspektivwechsel aus, wobei Querschnitte mit einer Kartenansicht verschmelzen. Bei anderen bleibt der Maßstab unklar – handelt es sich um einen Mikroorganismus, einen Stadtplan oder einen Entwurf für ein größer angelegtes System?
Wie unterscheiden sich Zeichnen und Nähen für dich?
Im Gegensatz zum Zeichnen, bei dem die Hand den Stift hält, ist der Prozess beim Nähen umgekehrt, weil man den Stoff unter der Nadel der Nähmaschine durchführen muss. Es besteht eine enge Verbindung zwischen dem Körper, den Sinnen und dem kreativen Prozess, da der ganze Körper daran beteiligt ist, den Stoff zu bewegen und die Maschine zu steuern. Es ist ähnlich wie beim Spielen eines Instruments, bei dem Finger, Hände, Arme und sogar Körperbewegungen Klang und Rhythmus erzeugen.
Welche Rolle spielen die verschiedenfarbigen, passepartoutartigen Hintergründe? Wie hast du die Farben ausgewählt?
Frei: Die Hintergründe haben eine strukturelle und eine ästhetische Funktion. Die bemalten Baumwollsegeltücher ermöglichen eine einfache Aufhängung der leichteren, genähten Werke und rahmen diese ein. Jeder Hintergrund hat eine andere Farbe und bildet eine schützende und ornamentale Einfassung. Diese weckt Assoziationen, die mit der visuellen Erzählung der Motive in Einklang stehen oder einen Kontrast dazu erzeugen. Sogar in den Titeln der Werke werden die Farben erwähnt, was verschiedene Konnotationen zum verwendeten Material und den dargestellten Elementen weckt.
Was interessiert dich an der Medialität des Textilen, die ja vielfältig kontextualisiert werden kann?
Frei: Einer der Gründe für meine Faszination für Textilien ist ihr Doppelcharakter – sie sind sowohl dekorativ als auch funktional. Durch ihre stoffliche Qualität und ihre Präsenz bieten Textilien eine Erfahrung für die Sinne, die über das Unmittelbare und Visuelle hinausgeht und vielfältige kulturelle, historische und zeitliche Bedeutungen sowie persönliche Assoziationen miteinander verwebt. Die bewusste Wahl des ungebleichten Baumwollstoffs und die Verwendung eines gewöhnlichen Haushaltsgeräts wie der Nähmaschine unterstreichen ein Gefühl von ‚Einfachheit’. Die Nähmaschine, die traditionell mit praktischen Aufgaben und häuslicher Handarbeit assoziiert wird, spielt in diesen Arbeiten für mich eine neue und erweiterte Rolle. Sie vermittelt Vertrautheit und verbindet das Kunstwerk mit den Alltagserfahrungen der Betrachter:innen.
Wie hängen diese neuen Arbeiten mit früheren Werken zusammen, in denen du Textilien in räumlichen und partizipativen Kontexten eingesetzt hast?
Frei: Wenn ich über frühere Arbeiten wie die Quilts in Musica Viva Spreads (2016) und die Polstermöbel von Circular Arrangement (2019–2020) nachdenke, erkenne ich eine klare Entwicklung in meinem Umgang mit Textilien. Musica Viva Spreads beispielsweise betonte
visuelle und politische Aspekte von Übersetzung, die in einer 1939 von meinem Großvater, dem Dirigenten Hermann Scherchen, herausgegebenen Musikzeitschrift ein Thema waren. In ähnlicher Weise erforschen die Möbelskulpturen von Circular Arrangement die geometrischen Symbole des Ablaufdiagramms, eines Instruments zur Visualisierung und Kommunikation von Arbeitsprozessen. Obwohl sie scheinbar unterschiedlich sind, haben beide eine Gemeinsamkeit – eine Verbindung zum Körper, zur Sprache und zur Kommunikation. Es geht darum, ein breit verfügbares Material zu nehmen und es mit Intentionalität und Detailgenauigkeit zu gestalten, wobei jede Falte, jeder Stich und jede Textur zu einer Sprache wird, die direkt zu den Betrachter:innen spricht.
Welche Atmosphäre willst du mit deinen textilen Arbeiten schaffen? Und wie trägt das Mobile aus Stahl mit dem Titel Polygon Apertures (2024) dazu bei?
Frei: Durch die Beziehung zwischen den Textilarbeiten und dem Mobile möchte ich eine immersive, schwebende Atmosphäre schaffen, in der die flachen polygonalen Ringe des Mobiles die Formen der Textilarbeiten widerspiegeln. In Polygon Apertures sind Verbindung und Veränderung als Themen eingebettet. Diese zeigen sich in den an Nähte erinnernden Haken aus Stahl, an denen die verschiedenen Elemente des Mobiles aufgehängt sind, und in der sich entwickelnden Patina des Metalls. Die kreisförmigen Öffnungen in den Ringen betonen den relationalen Aspekt der Installation und dienen als Linsen, durch die die Besucher:innen den umgebenden Raum erkunden und beobachten können.
Fragen von Barbara Buchmaier
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Luca Frei (geb. 1976 in Lugano, Schweiz) lebt und arbeitet in Malmö, Schweden. Er hatte Einzelausstellung in folgenden Institutionen (Auswahl): Museum Dhondt-Dhaenens, Deurle, Belgien (2021); Malmö Konsthall, Schweden (2020); Kunsthaus Glarus, Schweiz (2013); Bonner Kunstverein, Deutschland (2012); Lunds Konsthall, Schweden (2008).
Luca Frei hat an zahlreichen Gruppenausstellungen teilgenommen, u. a. im Trondheim kunstmuseum, Norwegen (2020); im Zentrum Paul Klee, Bern, Schweiz (2019); im Haus der Kulturen der Welt, Berlin, Deutschland, (2019); im Malmö Konstmuseum, Schweden (2019); in der Tensta Konsthall, Spånga, Schweden (2019); im BALTIC Centre for Contemporary Art, Gateshead, UK (2019); im National Museum of Modern Art Kyoto, Japan (2018); Kunstmuseum Solothurn, Switzerland (2016); an der 31st Ljubljana Biennial of Graphic Arts, Ljubljana, Slowenien (2015); im Museo Cantonale d’Arte, Lugano, Schweiz (2014); im Centre Georges Pompidou, Paris, Frankreich (2010); im Moderna Museet, Stockholm, Schweden (2010); im Van Abbe Museum, Eindhoven, Niederlande (2010); in der Kadist Art Foundation, Paris, Frankreich (2008); in der Kunsthalle Sankt Gallen, Schweiz (2008) und im Kunstverein München, Deutschland (2003).
February 24 – April 13, 2024
Opening: Friday, February 23, 6–9 pm
In anticipation of Guiding Fabric, Luca Frei‘s latest show at Galerie Barbara Wien, we had a conversation with the artist about the exhibition and his work.
In your fourth exhibition at Galerie Barbara Wien, you are showing ten textile works. The exhibition title Guiding Fabric also refers to the works’ production – how can we imagine this process? What is it about sewing that fascinates you?
Frei: I begin creating my works by employing a sewing machine on simple unbleached cotton fabric. Later, I hand-stitch these machine-sewn elements onto painted canvases. Their rendering evokes landscapes, living systems and hybrid architectural motifs reminiscent of worldly scenes and objects. Each piece has a unique character, influenced by nuanced variations in stitching and the chromatic depth drawn from the backgrounds. The manufacturing process demands careful planning, intuitive insights, and a deep understanding of technical synergies – from selecting fabric and adjusting thread tension to cutting, folding, pressing, machine stitching, hand stitching, knotting, and ironing. To me, the allure of sewing and working with textiles lies in this meticulous process, where every detail contributes to the final creation.
How did you develop the motifs for the images? Which associations are important to you?
Frei: The textile works evolved from preliminary drawings, which went through numerous iterations of refinement to achieve the right tension. I strive for images that are familiar yet strange, recognisable yet diffuse – alluding to a sense of place without necessarily representing specific locations. Each piece is unique but can be seen as part of a story or a score with recurring elements, such as shores, circles, or polygons. Suggesting a continuity between them, these motifs are inspired by recollections and observations of everyday situations, combined with graphic, almost diagrammatic representations of landscape and architecture. Some works are characterised by shifts in perspective, with cross-sections blending with a map view. In others, the scale remains ambiguous – is it a micro-organism, a city plan, or a blueprint for a more extensive system?
How are drawing and sewing different for you?
Frei: In contrast to drawing, where the hand holds the pencil, sewing reverses the process, because one has to guide the fabric through the sewing machine’s needle. There is a strong connection between the body, the senses, and the creative process, as your entire body moves the material and controls the machine. It is similar to playing an instrument, with fingers, hands, arms, and even body movements contributing to producing sound and rhythm.
What is the role of the differently coloured, passe-partout-like backgrounds? How did you choose the colours?
Frei: The backgrounds have both a structural and aesthetic function. Hand-painted on raw cotton canvas, they provide easy hanging for the lighter, stitched works while framing them when on display. Each background, in a different colour, provides a protective and ornamental border, eliciting associations linked to the visual narrative of the motifs in harmony or contrast with the images. Even the titles of the respective works mention the colours, prompting various connotations with material states and natural elements.
What interests you about the mediality of textiles, which is said to be capable of being contextualised in many ways?
Frei: One of the reasons behind my fascination with textiles is their double character – both decorative and functional. With inherent tactility and a strong presence, fabrics offer a sensory experience that extends beyond the immediate and the visual, weaving together multiple cultural, historical, and temporal meanings along with personal associations. For instance, the intentional choice of unbleached cotton emphasises a sense of ‘basicness,‘ aligning with the use of an ordinary domestic tool like the sewing machine. Traditionally associated with practical tasks and at-home crafting, the sewing machine plays a new and expanded role in these works, summoning familiarity and connecting the artwork to the viewer‘s everyday experiences.
How are these new works linked to previous works in which you utilised textiles in spatial and participatory settings?
Frei: In reflecting upon previous works like the quilts in Musica Viva Spreads (2016) and the upholstered furniture elements of Circular Arrangement (2019–2020), I recognise a distinctive evolution in my approach to textiles. For example, Musica Viva Spreads emphasised visual and political aspects of translation, rooted in a 1939 music journal edited by my grandfather, conductor Hermann Scherchen. Similarly, the upholstered furniture elements of Circular Arrangement explore the geometric symbols of the flowchart, a tool for visualising and communicating work processes. While seemingly disparate, both share a common thread – an intrinsic connection to the body, language, and communication. It‘s about taking a widely available material and crafting it with intentionality and detail, where each fold, stitch, and texture becomes a language that speaks directly to the viewer.
What atmosphere do you aim to create with your textile works? And how does the steel mobile titled Polygon Apertures (2024) contribute to this?
Frei: Through a relationship between the textile works and the weathering steel mobile, I aim to create an immersive, suspended atmosphere where the flat polygonal rings of the mobile echo the shapes found in the textile pieces. Change and connectivity are embedded in Polygon Apertures and are evident in the steel links, reminiscent of seams, that suspend the various elements of the mobile and the evolving steel patina. Circular apertures in the rings emphasise the relational aspect of the installation and serve as lenses through which visitors can explore and observe the surrounding space.
Questions by Barbara Buchmaier
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Luca Frei (b. 1976 in Lugano, Switzerland) lives and works in Malmö, Sweden. He had solo exhibitions at venues including Museum Dhondt-Dhaenens, Deurle, Belgium (2021), Malmö Konsthall, Sweden (2020), Kunsthaus Glarus, Switzerland (2013), Bonner Kunstverein, Bonn, Germany (2012) and Lunds Konsthall, Sweden (2008).
Luca Frei hat participated in group shows at Trondheim kunstmuseum, Norway (2020); Zentrum Paul Klee, Bern, Switzerland (2019); Haus der Kulturen der Welt, Berlin, Germany (2019); Malmö Konstmuseum, Sweden (2019); Tensta Konsthall, Spånga, Sweden (2019); BALTIC Centre for Contemporary Art, Gateshead, UK (2019); National Museum of Modern Art Kyoto, Japan (2018); Kunstmuseum Solothurn, Switzerland (2016); the 31st Ljubljana Biennial of Graphic Arts, Ljubljana, Slovenia (2015); Museo Cantonale d’Arte, Lugano, Switzerland (2014); Centre Georges Pompidou, Paris, France (2010); Moderna Museet, Stockholm, Schweden (2010); Van Abbe Museum, Eindhoven, The Netherlands (2010); Kadist Art Foundation, Paris, France (2008); Kunsthalle Sankt Gallen, Switzerland (2008) and Kunstverein München, Munich, Germany (2003).